28
Jan
2005

Regionalgeld Die Kleinen Brüder des Euro

Regionalgeld
Die kleinen Brüder des Euro


Sie heißen Hafensilber, Rheingold, Urstromtaler oder Kirschblüte. Landauf, landab rufen Initiativen neue Zahlungsmittel ins Leben, die - regional begrenzt - den Euro ergänzen. Das Regionalgeld soll die Wirtschaft vor Ort stärken und den Geldfluss am Laufen halten.

Die Idee mutet seltsam an: Gerade in Zeiten der Globalisierung und der europäischen Gemeinschaftswährung erfinden lokale Initiatoren ein alternatives Zahlungsmittel und besinnen sich auf ihre Region. "Das Problem ist, dass die regionalen Kreisläufe immer stärker unter der Globalisierung leiden. Früher waren neunzig Prozent regional, heute sind es vielleicht noch zehn Prozent", sagt Christian Gelleri, Wirtschaftslehrer an der Waldorfschule in Prien am Chiemsee. Gemeinsam mit Schülern der Oberstufe entwickelte er im Jahr 2002 den Chiemgauer, ein alternatives Zahlungsmittel für die Region rund um den Chiemsee. Heute akzeptieren bereits 240 Anbieter den Chiemgauer, je zur Hälfte Geschäfte und Dienstleister - vom Lebensmittelgeschäft über den Optiker und den Steuerberater bis hin zu Hotels und Restaurants. Monatlich werden rund 15.000 Euro zum Kurs von eins zu eins in Chiemgauer umgetauscht. So bleibt mehr Geld in der Region und die lokale Wirtschaft wird im Wettbewerb mit den Discountern auf der grünen Wiese gestärkt.
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"Insgesamt gibt es rund 50 Initiativen in Deutschland", berichtet Klaus Starke vom Regionetzwerk. Die Arbeitsgemeinschaft koordiniert die verschiedenen Projekte, unterstützt Neugründungen und organisiert viermal im Jahr ein Netzwerktreffen, bei dem sich die Beteiligten austauschen. "Das Regionalgeld ist keine Konkurrenz zum Euro, sondern eher eine sinnvolle Ergänzung", ist sich der Experte sicher.
Wie ist es um den rechtlichen Aspekt gestellt?

Verstößt das Regionalgeld gegen das Bundesbankgesetz? Dürfen sich Projektgruppen einfach alternative Zahlungsmittel zum Euro schaffen? Das Gesetz über die Deutsche Bundesbank verbietet in Paragraph 35 schließlich die Ausgabe von Nebengeld, wenn dies geeignet ist, anstelle von gesetzlichen Zahlungsmitteln verwendet zu werden. Nach Auffassung der Deutschen Bundesbank ist dies dann der Fall, wenn die Zeichen geldähnlich ausgestaltet und allgemein verwertbar sind. Dies, so die Deutsche Bundesbank in einer Stellungnahme, sei aber nicht gegeben, wenn die Zeichen einen Aufdruck "Wertgutschein", "Gutschein" oder "Warengutschein" trügen. Oder wenn die Wertgutscheine nur begrenzt räumlich und zeitlich verwertbar seien und sich in Größe und Papierart von den regulären Banknoten unterschieden.
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Das Regionalgeld ist also streng genommen nichts anderes als ein Gutscheinsystem, auf das sich die Teilnehmer innerhalb eines Vereins - Dienstleister, Geschäfte und Kunden - geeinigt haben. Sie verständigen sich darauf, die Gutscheine regional begrenzt als Zahlungsmittel für bestimmte Waren zu akzeptieren.
Das Motto lautet "Taler, Taler, du musst wandern"

Noch in einem anderen Punkt unterscheidet sich der Euro maßgeblich von seinen kleinen Brüdern: Der Großteil der Euro-Geldmenge befindet sich gar nicht im Umlauf, sondern existiert nur als Buchungsmasse oder lagert zwecks Zinsbildung auf Konten und Ähnlichem. Das Regionalgeld hingegen kennt keinen Zins, im Gegenteil: Es altert, es "rostet", es verliert mit der Zeit an Wert. Das Ziel des Wertverfalls: Das Geld soll als Tauschmittel im Umlauf bleiben, möglichst oft den Besitzer wechseln und so für viel Umsatz sorgen. "Taler, Taler, du musst wandern" - dieses Volkslied aus dem 18. Jahrhundert kann als Leitmotto der Regionalwährungen gelten.

Der "Kann Was" in Schleswig-Holstein zum Beispiel büßt pro Monat einen Prozent seines Wertes ein. "Diese Gebühr soll lediglich den Umlauf sichern, zur Kostendeckung des Projekts trägt sie kaum bei", erläutert Barbara El-Hawari, die den "Kann Was" in Schleswig organisiert.
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Hauptberuflich arbeitet sie als Finanz- und Versicherungsmaklerin und verkauft Produkte, die gerade auf dem Prinzip des Zins und Zinseszins basieren. "Darin sehe ich keinen Widerspruch", gibt sie zu verstehen, "alltägliche Ausgaben muss man von der finanziellen Vorsorge trennen."
Soziale Projekte profitieren vom Regionalgeld

Auch der Chiemgauer von Christian Gelleri und den Waldorf-Schülern sollte rasch ausgegeben werden. Er kann zwar am Ende eines Quartals erneuert werden, falls er sich noch im Portmonee befindet. Dann wird allerdings eine Erneuerungsgebühr von zwei Prozent des jeweiligen Chiemgauer-Werts fällig. "Das ist quasi die Nutzungsgebühr für den Chiemgauer", erklärt Christian Gelleri. Die 240 Anbieter können den Chiemgauer auch zurück in Euro tauschen, müssen dann aber fünf Prozent des Wertes abgeben - drei Prozent gehen an soziale Projekte, der Rest deckt einen Teil der Kosten des Schülerunternehmens. In 2004 kamen 5.400 Chiemgauer für die Vereine und 3.600 Chiemgauer für das Schülerunternehmen zusammen, also insgesamt ein Umsatz von 9.000 Euro.

Von diesen Zahlen ist Frank Jansky noch weit entfernt. Der Rechtsanwalt ist in Sachsen-Anhalt unermüdlich unterwegs, um für den Urstromtaler zu werben. Im Oktober 2003 ist das alternative Zahlungsmittel an den Start gegangen. "Die Reaktionen sind verhalten positiv", berichtet Frank Jansky.
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Viele Sachsen-Anhaltiner seien zwar angetan von der Idee, die heimische Wirtschaft zu unterstützen, hätten aber schlichtweg nicht genug Geld, um die meist teureren regionalen Produkte zu kaufen. Deshalb gibt es den Urstromtaler in zwei Varianten: zum einen als Wertgutschein, der gegen Euro ausgegeben wird, zum anderen als Verrechnungseinheit für erbrachte Dienstleistungen. In der Praxis bedeutet das, dass auch Personen über Urstromtaler verfügen können, die keine Euros umtauschen, sondern stattdessen für andere Menschen eine Dienstleistung erbringen. Diese Kombination mit der Idee eines Talente-Tauschrings ermöglicht es mehr Menschen, am Projekt teilzunehmen. So gesellen sich in vielen Portmonees immer mehr Urstromtaler zum großen Bruder Euro.

Benjamin Brouër

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